Dieser Roman, der 1872 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, erschien 1994 in der ANDEREN BIBLIOTHEK im Eichborn Verlag, die nie der Platz für Mainstream Inhalte war. Ist dieses Buch also noch aktuell?
Die Hauptperson des Romans entdeckt das Land Erewhon („Nowhere“), in dem alles genau entgegengesetzt zu unserer Normalität funktioniert und diese andere Normalität philosophisch begründet wird. Z.B. ist Krankheit ein Verbrechen, während Verbrechen eine Krankheit ist und behandelt wird.
Es gibt Schulen für Unvernunft, alles in allem machen viele Dinge wenig Sinn, die Einwohner müssen sich aber daran halten, finden aber gelegentlich auch ihre Möglichkeiten, um manche Dinge zu umgehen.
Weil Tiere auch ein Bewusstsein haben, werden die Erewhonier zu Vegetariern. Das Essen von Fleisch steht unter Strafe. Erst als ein Prophet erklärt, dass auch Pflanzen ein Bewusstsein haben und Lebewesen sind und z.B. auch kein Weizen mehr gegessen werden darf, weil er neues Leben enthält, kommt Bewegung in die Gesellschaft. Es braucht also manchmal immer extremere Vorstellungen, um extreme Vorstellungen ad absurdum zu führen. Das kommt uns doch schon sehr aktuell vor, da heute bei Diskussionen sehr schnell die konträren Maximalpositionen erreicht sind.
Ganz aktuell wird das Buch, weil die Erewhonier alle Maschinen abschaffen, da sie Angst haben, dass die Maschinen sich evolutionär schneller als die Menschen entwickeln und die Menschen verdrängen werden. Als das Buch geschrieben wurde, waren die modernsten Maschinen Dampfmaschinen. Dass Samuel Butler damals postulierte, dass auch einfache Maschinen schon eine Art Willen haben und sich mit der Zeit selber reproduzieren werden, das war wirklich revolutionär. Ein Essay am Ende des Buches behandelt dieses Thema. Seit 1994 sind schon wieder fast 30 Jahre vergangen und mit KI haben wir die sehr aktuelle Diskussion, ob wir KI regulieren müssen oder ob KI potentiell die Menschheit vernichten könnte. Samuel Butler hat diese Fragen bereits vor 150 Jahren aufgeworfen.
Für mich hatte das Buch daher einige spannende Aspekte. Insgesamt ist die Geschichte aber ein wenig angestaubt und hat ihre Längen, also nicht unbedingt ein heißer Lesetipp.